Kleine und mittlere Unternehmen haben zunehmend Probleme damit, für alle Ausbildungsplätze passende Bewerber zu finden. Um diese ist ein harter Wettbewerb entbrannt. Lesen Sie hier, wie Sie mit einem guten, zielführenden Ausbildungsmarketing im Kampf um Bewerber bestehen und als attraktiver Ausbildungsbetrieb überzeugen.
Warum gibt es so wenige Bewerber?
Die Demografie ist ein Grund dafür, es gibt derzeit wegen der geburtenschwachen Jahrgänge ab 2000 zu wenige Schulabgänger. Von diesen orientieren sich wiederum viele in Richtung eines Studiums oder einer schulischen Ausbildung. Dabei gilt die duale Berufsausbildung in Deutschland als international führend, sie ist die Basis für unser großes Fachkräftereservoir.
Damit sie erhalten bleibt, müssen die Unternehmen gute Ausbildungsangebote bereitstellen und sie auch ausreichend kommunizieren. Letzteres gehört zum Ausbildungsmarketing. Für dieses ist möglicherweise ein Perspektivenwechsel nötig. Er mag schwerfallen, weil die neue Situation des Bewerbermangels noch jung ist.
Bis vor wenigen Jahren konnten sich die Unternehmen passende Auszubildende aus einer Vielzahl von Bewerbungen aussuchen. Doch inzwischen suchen sich die Jugendlichen ihren Ausbildungsbetrieb aus. Es lohnt sich, die jungen Leute vom eigenen Unternehmen zu begeistern. Alle Firmen klagen über einen gravierenden Fachkräftemangel, der nach einer Einschätzung der deutschen Wirtschaftsweisen vom November 2018 sogar den Aufschwung bremst. Es gilt daher, die Ansprüche von werdenden Azubis zu hinterfragen und im angemessenen Rahmen zu bedienen.
Wie werden Sie ein attraktiver Ausbildungsbetrieb?
Der erwähnte Perspektivenwechsel bedingt auch einen Abschied vom bequemen Klischee, dass die junge Generation ab den 2000er Jahrgängen “nicht so gut“ wie ältere Berufstätige sind – schon vom Stand ihrer schulischen Leistungen her. Dieses Klischee wurde in den vergangenen Jahren in der Tat intensiv gepflegt, man hört es gelegentlich immer noch. Doch es stimmt einfach nicht, wie aktuelle Notendurchschnitte und der Pisa-Vergleich zeigen. Die jungen Leute sind keineswegs schwächer als vorhergehende Jahrgänge, sie sind nur anders. Das war schon immer so: Jede Generation ist anders als ihre Vorgänger.
Auch die Lehrherren der heute älteren Berufstätigen mussten sich darauf einstellen. Diese Notwendigkeit besteht inzwischen umso mehr durch die kleiner gewordene Auswahl an Azubis. Wenn ein Betrieb wirklich ausbilden will, muss er praktisch jedem Bewerber eine angemessene Chance geben. Um die jungen Anwärter auf eine Ausbildung überhaupt zu motivieren, ist eine zielgruppengerechte Ansprache der Jugendlichen und ihre nachfolgende, intensive Betreuung unerlässlich. Betriebe, die das schaffen, sind aus Sicht der kommenden Azubis wirklich attraktiv.
Welche Anforderungen stellt die Generation Z?
Die Geburtsjahrgänge ab dem Jahr 2000 repräsentieren die sogenannte Generation Z. Um diese geht es gegenwärtig, Betriebe müssen die Ansprüche dieser Ausbildungsanwärter kennen. Diese Jugendlichen wurden ins digitale Zeitalter hineingeboren. Sie können sich ihr Leben und ihre Arbeit ohne (mobiles) Internet gar nicht vorstellen. Dementsprechend möchten sie stets die modernste Technik am Arbeitsplatz vorfinden.
Es gibt einen wichtigen Unterschied zur älteren Generation Y: Die “Z-ler” betrachten die digitale Onlinetechnik als bloßes Werkzeug. Die Entgrenzung zwischen Arbeit und Leben lehnen sie überwiegend ab, vielmehr möchten sie wieder – wie ihre Großeltern – die Sphären Beruf und Privates trennen. Angebote für die gute Vereinbarkeit des Berufs mit dem Familienleben sind für sie sehr bedeutsam. Außerdem denkt die Generation Z sehr selbstständig. So wurde sie erzogen. Hierarchien oder gar Befehle vom Vorgesetzten lehnt sie ab. Auch ist ihre Bindung an den gegenwärtigen Arbeitgeber relativ gering, weil sie neue Chancen blitzschnell mit dem Smartphone aufruft.
Anforderungen bedienen und attraktiver Ausbildungsbetrieb werden
Wenn Firmen für die beschriebene Generation Z die von ihr erwarteten Anforderungen bedienen, werden sie als Ausbildungsbetrieb ganz eindeutig attraktiv. Natürlich müssen sich solche Angebote auch für die Arbeitgeber rechnen. Andererseits sind die Jugendlichen pragmatisch genug, um die Grenzen von Arbeitgeberangeboten einzusehen und beispielsweise vom Arbeitsplatz nicht die Bedingungen einer reinen Wohlfühloase zu erwarten. Nichtsdestotrotz sind die Zeiten von “Chef” (Ausbilder) und “Stift” (Azubi) endgültig vorbei. Zu diesen gehörte unter anderem, dass der Stift das Frühstück für die Belegschaft holt. Solche Sitten sind längst obsolet.
Darüber hinaus erwarten junge Leute, dass man sie ernst nimmt und auf ihre Anforderungen eingeht. Zu diesen gehört auch ein ehrliches Feedback und – wo angebracht – das uneingeschränkte Lob, das manchem Ausbilder nicht unbedingt leicht fällt. Doch hier lohnt es sich, über den eigenen Schatten zu springen, denn dieses Lob kostet nun wirklich nichts. Dafür erhöht es deutlich die gegenseitige Wertschätzung und stärkt damit das Betriebsklima. Es hat auch einen wichtigen pädagogischen Effekt. Die Jugendlichen wollen verstehen, wie sie etwas handhaben sollen und warum manche Dinge so und nicht anders laufen.
Sie erwarten übrigens nicht durchweg Lobhudelei, auch ernsthafte, konstruktive, aber respektvolle Kritik ist sehr gefragt. Nur Sätze wie “haben wir schon immer so gemacht” sind heute vollkommen unangebracht und haben eigentlich schon in den 1970er bis 1980er Jahren die Lehrlinge gestört, die nur damals keinen Widerspruch wagten. Betriebe sollten sich also an das 21. Jahrhundert gewöhnen, es ist höchste Zeit. Gleichzeitig ist das ihre Chance, eingefahrene Regeln und Prozesse einmal selbstkritisch zu hinterfragen.
Aktuelle Angebote aus den Unternehmen
Viele Firmen haben die Zeichen der Zeit erkannt und machen ihren Azubis bereits sehr attraktive Angebote. Diese berücksichtigen relativ gut die Erwartungen des Nachwuchses. Unter anderem gehören dazu:
- Zusatzqualifikationen
- intensive persönliche Betreuung
- eigene Projekte
- flexible Arbeitszeiten
- frühe Einbindung in die praktische Arbeit
- finanzielle Anreize
Das sind Attraktivitätsmerkmale, welche manche Unternehmen ganz selbstverständlich entwickelt haben und eigentlich zu wenig kommunizieren. Hier können Firmen ansetzen und einmal die eigenen Stärken und auch Schwächen unter die Lupe nehmen, um dann die Schwächen sukzessive zu eliminieren und die Stärken in der Außendarstellung besser hervorzuheben. Als Arbeitsmittel empfiehlt sich hierzu ein Stärken-Schwächen-Diagramm, das es auch digital als Positionierungskompass des RKW gibt. Dieser Kompass stellt heraus, bei welchen Anforderungen ein Unternehmen seinen Azubis in welcher Form entgegen kommen kann. Nicht alles ist erfüllbar, doch für die unerfüllbaren Dinge gibt es auch Begründungen. Die Positionierung schafft insofern Klarheit und hilft den Unternehmen dabei, ein attraktives Ausbildungsangebot zu formulieren. Es muss sich im Betrieb umsetzen lassen, also realitätsnah gestaltet werden. Auf dieser Basis lässt sich das erfolgreiche Ausbildungsmarketing durchführen.
Besonderheiten herausstellen
Es gibt viele Unternehmen, die ihre gute Ausbildungsqualität hervorheben. Diese setzen jedoch die Bewerber voraus, sie ist für sich kein überzeugendes Argument. In einer Pyramide von Ausbildungsvoraussetzungen gehört sie zur Basisqualität. So eine Pyramide würde wie folgt aussehen:
- Stufe 1 (unten): Basis (sogenannte “Hygienefaktoren”) wie die hohe Ausbildungsqualität, eine gute Ausbildungsvergütung, ein gutes Betriebsklima und abwechslungsreiche Aufgaben
- Stufe 2 (Mitte): Leistung wie Zusatzqualifikationen, ein fester Ansprechpartner für jeden Azubi, Übernahmechance, transparenter Bewerbungsprozess und viele gute Infos zum Unternehmen und zur Ausbildung
- Stufe 3 (oben): Begeisterung wie finanzielle Benefits, eigene Projektverantwortung, persönliche Entwicklung, Kontakthalten nach Vertrag oder qualifizierte Absage
Die unterste Stufe nehmen die Azubis als selbstverständlich hin, die mittlere Stufe sollte da sein, ansonsten gibt es Punkteabzug. Mit der obersten Stufe lässt sich werben. Sie ist etwas wirklich Besonderes und schafft für dieses Ausbildungsangebot ein Alleinstellungsmerkmal.
Doch um die Spitze überhaupt hervorzuheben, müssen die beiden Stufen darunter auf jeden Fall vollständig gefüllt werden. Einzelne Aspekte auf den unteren Stufen können bei besonderer Ausprägung ebenfalls zu Begeisterung führen.
Attraktiver Ausbildungsbetrieb mit Mehrwerten
Gute Ausbildungsbetriebe schaffen Mehrwerte für ihre Azubis. Sie gewähren ihnen beispielsweise Einblicke in andere Arbeitsbereiche und erweitern damit beträchtlich ihren Horizont – ein Verfahren, das für die Beschäftigten eines Betriebes im Rahmen des Job Enlargements zum Einsatz kommt.
Ein weiteres Mittel sind Praktika bei anderen Firmen. Das können Zulieferer- oder Kundenunternehmen sein. Wer dort einmal hineinschnuppern kann, entwickelt ein tiefes, wertvolles Verständnis für die Kette der Wertschöpfung. In der Regel funktioniert das, wenn die Betriebe sich untereinander ihre Azubis “ausleihen”.
Noch höher angesehen sind Praktika im Ausland. Diese lassen sich innerhalb der EU auf die Ausbildung anrechnen, wenn die Berufsschule zustimmt. Infrage kommt diese Möglichkeit daher für leistungsstarke Azubis, die dieses Praktikum als Incentiv für ihre Anstrengungen verstehen. Gefördert werden diese Praktika über das europäische Erasmus-Programm, sodass die Kosten für das Unternehmen überschaubar bleiben. Informationen dazu gibt es hier.
Im Betrieb selbst sind Azubiprojekte sehr begehrt. Auszubildende möchten Verantwortung übernehmen und sich auch in Wettbewerben mit anderen Azubis messen. In vielen Handwerksberufen sind diese Wettbewerbe bis hin zur Berufsolympiade gut etabliert. Finanzielle Anreize für leistungsstarke Azubis und Bestenehrungen runden die Mehrwerte ab, welche Unternehmen für ihren Nachwuchs bereitstellen können.