Working Out Loud („Lautes Arbeiten“, Kürzel: WOL) ist eine neue Mentalität der Zusammenarbeit in Unternehmen, auf der auch eine Selbstlern-Methode aufbaut. Der IT-Berater Bryce Williams erläuterte die Methode erstmals 2010 in einem Blogpost. Erfahren Sie in diesem Beitrag, was damit gemeint ist.
Entstehung des Begriffs Working Out Loud
Bryce Williams arbeitet für Eli Lilly & Company hauptsächlich im Bereich der Social-Business-orientierten Initiativen. Er soll den MitarbeiterInnen dabei helfen, auf kreative Weise neue Tools und Verhaltensweisen für ihre soziale Zusammenarbeit zu entwickeln. Williams managt in diesem Kontext auch Implementierungsprojekte, welche die Kultur der Zusammenarbeit verbessern können.
Die geschäftlichen Schwerpunkte seines Unternehmens sind die IT-Business-Analyse und das Projektmanagement in der Pharmaindustrie. Der engagierte Familienvater Williams beobachtete im Rahmen seiner Tätigkeit sehr genau, wie sich Menschen im sozialen Umfeld verhalten und inwieweit dieses Verhalten produktiv oder kontraproduktiv ist.
Dabei stellte er teilweise die Tendenz zum Verheimlichen der eigenen Arbeits- und Denkweisen fest, mit dem Berufstätige sich möglicherweise Wettbewerbsvorteile auf ihrem Karriereweg verschaffen wollen. Das schadet aber den Teams und damit auch den Firmen. Aus dieser Beobachtung entwickelte Bryce seine Kernidee: Menschen sollen “laut” arbeiten, also über ihre Methoden sprechen oder posten, um andere teilhaben zu lassen, damit das komplette Team dabei lernt und sich verbessert.
Die Tools dafür sind Kollaborationsumgebungen, die heute softwaregestützt funktionieren, und soziale Netzwerke. Bryce Williams hat allerdings mit WOL nur etwas in Worte gefasst, das sich schon länger durchzusetzen begann: Seit Blogs, Foren und soziale Medien immer relevanter wurden, also spätestens ab der Jahrtausendwende, setzte auch ein Paradigmenwechsel bei Wissensarbeitern ein: Sie wurden von bloßen Wissenssammlern zu Wissensteilern. Das stärkt ihre Position. Heute wird ein Experte als umso relevanter betrachtet, je bereitwilliger er sein Wissen teilt. Die WOL-Methode wurde weiterentwickelt, unter anderem publizierte John Stepper 2015 darüber. Ab diesem Zeitpunkt wurde eine breite Öffentlichkeit darauf aufmerksam. Stepper greift einen weiteren Aspekt von WOL auf: Der sein Wissen teilende Experte profitiert selbst davon, dass er in sozialen Beziehungen über sein Denken reflektieren kann und Feedback erhält.
Fünf Grundprinzipien von Working Out Loud
WOL basiert auf fünf Grundprinzipien, die alle dazu dienen, die Fähigkeiten von Wissensarbeitern weiterzuentwickeln und neue Themen zu entdecken. Grundsätzlich sollen die Experten nicht netzwerken, damit sie neue Informationen erhalten, sondern netzwerken, um ihre eigenen Informationen und Erkenntniswege zu teilen. Das ist in der Tat ein Paradigmenwechsel. Die Investition in Beziehungen verbessert jeden Teilnehmer eines sozialen Netzwerks, so der Kerngedanke. Die Grundprinzipien lauten:
- relationships (Beziehungen)
- generosity (Großzügigkeit)
- visible work (sichtbare Arbeit)
- purposeful discovery (zielgerichtetes Verhalten)
- growth mindset (wachstumsorientiertes Denken)
Zur WOL-Methode gehört der WOL-Circle als 12-wöchiges Programm mit sogenannten Circle-Guides, welche die Teilnehmer befähigt ihre Gewohnheiten so zu ändern, dass sie den WOL-Prinzipien entsprechen. Es gibt eine deutsche WOL Community of Practice, in der Vertreter von BMW, AUDI, Bosch, Daimler, Continental, Deutsche Bank, Siemens und Telekom mitwirken. Die WOLCoP gewann Ende 2017 den HR-Excellence-Award für ihre unternehmensübergreifende Zusammenarbeit.
Warum ist WOL so bedeutsam?
Wir stecken mitten im digitalen Transformationsprozess. Die neuen Technologien verändern in rasender Geschwindigkeit unseren Arbeitsalltag und ebenso die Erwartungshaltung unserer Kunden. Diese Erwartungen lassen sich nur bedienen, wenn alle Mitarbeiter die digitale Transformation mittragen. Das fällt nicht jedem von ihnen leicht.
Weit verbreitet ist das sogenannte Silodenken, also das Beharren auf den eigenen Erkenntnissen und Vorgehensweise innerhalb des eigenen Teams oder gar Kopfes. Networking hingegen und das transparente New Work haben sich noch längst nicht überall durchgesetzt. WOL soll hier Abhilfe schaffen. Die vormaligen reinen Wissenssammler sollen nun Wissensteiler werden, inzwischen sind die Beteiligten eine regelrechte Bewegung. Diese schickt sich an, ihr Anliegen schwungvoll zu betreiben.
Mit einem festen Regieplan sollen Mitarbeiter in zwölf Wochen fit für die Vernetzung gemacht werden, um die digitale Transformation voranzubringen. Das Interessante ist der Grundgedanke, mit dem Bryce Williams WOL ins Leben rief: Er definierte es als Lebenseinstellung für die Wissensteilung. Die Lernmethode von John Stepper findet weltweit zunehmend Anhänger. Die Circle-Teilnehmer treffen sich mit festgelegter Tagesordnung, definieren Ziele und suchen gemeinsam nach weiteren Beteiligten, die sie einbinden können. Wenn ein Circle nach einem Quartal endet, hat jeder Teilnehmer ein vielfältiges persönliches Netzwerk geknüpft, in welchem alle Beteiligten ihr Wissen teilen.
New Work auf WOL-Basis
Mit Working Out Loud beginnt in den Firmen die sogenannte “neue Arbeit”, denn das Konzept – von Williams ursprünglich für Einzelpersonen entwickelt – beginnt sich als Management-Methode zu etablieren. Unternehmen greifen für ihre Teams die Philosophie auf, denn sie profitieren am meisten. Es ist nicht schwer, die Methode einzuführen, weil die Guidelines für die Circle-Treffen natürlich online frei zur Verfügung stehen: Das entspricht schließlich dem Gedanken des Shared Knowledge.
Von WOL profitieren unter anderem unsichere Mitarbeiter, die zum Networking einen neuen Zugang finden. Dieser ist sehr bedeutsam: Die transparente Zusammenarbeit in Netzwerken gehört in der digital vernetzten Arbeitswelt zu den Schlüsselqualifikationen. Doch ein Unternehmen kann Networking kaum anordnen. Niemand kann gezwungen werden, sein Wissen freiwillig zu teilen – es bedarf eines Paradigmenwechsels, damit Mitarbeiter dazu bereit sind.
Hinzu kommt, dass sie das Teilen (Sharing) über soziale Medien und Collaboration-Tools auch beherrschen müssen, hierzu gehört eine gewisse Expertise. WOL nimmt ihnen aber durchaus ihre Berührungsängste. Die Circle-Guidelines von WOL fungieren als Schritt-für-Schritt-Anleitung, mit der sich erfolgreiches Networking durchführen lässt. Implementiert werden muss nur der Urgedanke, dass Geben seliger denn Nehmen ist. Hierfür lernen die Teilnehmer zunächst, wie gut sie mit ihrem Wissen den Kollegen helfen. Diese Erkenntnis befriedigt zutiefst und wirkt wesentlich nachhaltiger als die bloße Bitte um Unterstützung.
Überwindung des Silodenkens
Um Silodenken zu überwinden, hilft ein Blick über den eigenen Tellerrand. Dieser repräsentiert die Struktur des eigenen Teams und der ureigenen Leistung. Wer allein darin verhaftet bleibt, entwickelt Blockaden und verteidigt seine Burg oder sein Silo. Mithilfe von Vernetzung lassen sich diese Blockaden einreißen. Auch ergänzen künftig informelle Informationswege die starren Formalstrukturen, die es in fast allen Unternehmen noch gibt und die in Teilen auch als unverzichtbar gelten, um Chaos in der Firma zu vermeiden. Dennoch können Informationen durchaus freier fließen, ohne gleich Hierarchien aufzugeben. Das müssen die Mitarbeiter und auch Führungskräfte zunächst lernen.
Belohnt werden sie unter anderem damit, dass WOL die Kollegialität enorm positiv beeinflusst. Auch die unkomplizierte Einführung der Methode dürfte Führungskräfte begeistern, denn es genügen wirklich 12 Meetings, um sie zunächst in den Köpfen zu etablieren. Danach müssen die Mitarbeiter aber wirklich praktisch netzwerken, die Firmen benötigen oft weiterführende Konzepte. Durch diese entstehen aus dem positiven WOL-Impuls neue Routinen der Vernetzung, die schlussendlich die gesamte Arbeitsmentalität verändern. Experten empfehlen daher, die WOL-Methode überlegt einzuführen und auf die Motivation der MitarbeiterInnen zu achten. Jeder Zwang ist überflüssig. Das WOL-Konzept basiert gerade auf Freiwilligkeit, auch wenn bestimmte, wenn auch neue Regeln etabliert werden müssen.