Ein Bleibegespräch soll einen Mitarbeiter zum Bleiben motivieren, der eigentlich seine Kündigung plant. Lesen Sie hier, wie Sie dieses Gespräch mit Fingerspitzengefühl führen und dennoch Klartext reden.
Wann führen Sie ein Bleibegespräch?
Wenn einer Ihrer Mitarbeiter ganz offenkundig gehen möchte und Sie auf seinen Verbleib im Unternehmen großen Wert legen, werden Sie dieses Gespräch führen. Die Aufgabe ist nicht leicht und sollte möglichst vor der tatsächlichen Kündigung in Angriff genommen werden. In der Regel haben Warnsignale darauf hingedeutet, dass der Mitarbeiter seinen Abschied plant. Das Gespräch hat zwei Ziele: Zunächst einmal müssen Sie sich darüber Klarheit verschaffen, ob die Gerüchte über die bevorstehende Kündigung des Kollegen stimmen beziehungsweise Sie selbst entsprechende Warnsignale richtig gedeutet haben. Zweitens sollten Sie, wenn die Vermutung stimmt, die Gründe für die Kündigungsabsicht klären und dann eine gezielte Gegenmotivation zum Bleiben einleiten. Das gelingt nur, wenn sich der Mitarbeiter noch nicht allzu weit vom Unternehmen entfernt hat.
Vorbereitung und Durchführung des Gesprächs
Für die Vorbereitung ist es wichtig, dass Sie eine Selbstanalyse durchführen. Fragen Sie sich Folgendes:
- Habe ich etwas zur Kündigungsabsicht des Mitarbeiters beigetragen?
- Habe ich Versprechen nicht eingelöst?
- Bin ich mit der Aufgabe der Unternehmensleitung überfordert?
- Wie viel Zeit bringe ich für meine Mitarbeiter auf?
Danach sollte richten Sie Ihren Blick auf den betreffenden Mitarbeiter: Gibt es Ursachen außerhalb Ihres Unternehmens, die vielleicht seinen Umzug erzwingen? War er mit seiner Arbeit, dem Einkommen und dem Betriebsklima bislang eher zufrieden oder unzufrieden? Kann er sich überhaupt woanders verbessern? Lohnt es sich, ihm mehr Geld anzubieten oder ihn in ein anderes Team (mit anderen Aufgaben) zu versetzen? Sind solche Optionen denn realistisch?
Sie dürfen nie vergessen, dass es auch rein private Gründe für eine Kündigung geben kann. Darüber hinaus sind manche Menschen generell überfordert, möglicherweise auch wegen familiärer Belastungen, und finden daher überall das Haar in der Suppe – auch am Arbeitsplatz. All das sollten Sie durch sensibles, aber taktisch geschicktes Befragen herausfinden. Sie haben jede erdenkliche Antwort zu erwarten. Es könnte sein, dass der Mitarbeiter momentan frustriert ist, sich aber vom Bleiben überzeugen lässt. Auch auf die ernüchternde Erkenntnis, dass das Verhältnis durch mehrere Konflikte zerrüttet ist und/oder Sie ihm keine ausreichenden Perspektiven bieten können, müssen Sie sich einstellen.
Nicht zuletzt kann es objektive, in der Regel private Gründe für eine Kündigung geben, die mit Ihnen nichts zu tun haben und die Sie nicht beeinflussen können. Es gibt zweifellos Szenarien, bei denen Sie den Mitarbeiter ziehen lassen sollten, so schade und möglicherweise teuer das für Sie ist. In allen anderen Fällen haben Sie gute Chancen. Allein schon um das herauszufinden, sollten Sie dieses Gespräch unbedingt führen.
Wie laden Sie zum Gespräch ein?
Laden Sie Ihren Mitarbeiter nicht spontan und nicht im Vorbeigehen auf dem Flur zu diesem wichtigen Gespräch ein. Sie sollten ihn in Ihr Büro bitten oder zu ihm gehen, wenn Sie die Einladung ungestört aussprechen können. Bitten Sie ihn “zum persönlichen Gespräch“, nicht zum steifen “Personalgespräch“. Sorgen Sie beim Gespräch für einen ruhigen Raum und stellen Sie die Telefone ab. Sie sollten Zeit einplanen: Das Gespräch kann interessante Wendungen mit sich bringen, unter anderem dann, wenn Ihr Mitarbeiter länger „auspackt“. Genau darauf haben Sie schließlich gewartet!
Der Gesprächsbeginn:
Teilen Sie anfangs dem Mitarbeiter kurz Ihre Gedanken mit. Er ahnt zwar den Grund des Gesprächs, kann aber Ihre Richtung und Intention nicht genau kennen. Sie brauchen mit Ihren Befürchtungen nicht hinter dem Berg zu halten: Smalltalk und lange Vorreden sind überflüssig.
Formulieren Sie daher Ihr Anliegen direkt und offensiv. Sagen Sie dem Kollegen, dass Sie von seinen möglichen Kündigungsplänen gehört haben, ihn aber halten möchten. Dann warten Sie, was er zu sagen hat. Wenn sich die Vermutung bestätigt, dass er kündigen möchte, hinterfragen Sie hierfür die Ursachen und lassen sich die Gefühle und Erwartungen des Kollegen erklären. Sie sollten ihm Ihr unbedingtes Interesse signalisieren, jedoch bei Ihrer zentralen Fragestellung bleiben: Wodurch könnte er von seinem Plan abgebracht werden? Vielleicht hat er eine Wunschliste, die Sie aufnehmen und vorsichtig kommentieren können, wenn Sie bestimmte Aspekte bestimmt nicht erfüllen können.
In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass die Mitarbeiter großen Wert auf Wertschätzung und Zugehörigkeit legen. Diese Faktoren wiegen schwerer als ein höheres Gehalt.
Unerwartete Wendungen
Das Gespräch hält unerwartete Wendungen und Überraschungen bereit. Eine unerwartete Wendung könnte darin bestehen, dass der Mitarbeiter von einem aktuellen Ereignis so frustriert wurde, dass er spontan seinen Kündigungsentschluss fasste. Vielleicht wurde er bei einem wichtigen Projekt übergangen. Indem Sie ihm versprechen, ihn umgehend in dieses Projekt einzubinden, löst sich sein Frust in Rauch auf, er bleibt.
Eine Überraschung könnte für Sie die glasklare Kritik an Ihrem Führungsstil sein. Vielleicht hat Ihnen das noch niemand gesagt, doch dieser Mitarbeiter glaubt momentan, dass er nichts mehr zu verlieren hat. Die Unzufriedenheit mit dem Vorgesetzten ist für 68 % der Mitarbeiter ein Grund für die Kündigung aus einer Verstimmung heraus (also nicht wegen übergreifenderer Probleme wie dem zu kleinen Gehalt, den unpassenden Aufgaben oder der unflexiblen Arbeitszeit). Wenn Sie das Gespräch wie vorgeschlagen offen führen, teilt Ihnen der Mitarbeiter diese Unzufriedenheit mit. Sie lernen daraus sehr wichtige Dinge für Ihren Führungsstil, an dem Sie vielleicht bislang nicht oder zu wenig gezweifelt hatten. Doch auch sehr schwerwiegende private Probleme können der Kündigungsgrund sein, von denen Sie nichts ahnen konnten. Es stellt sich die Frage, ob Sie dem Mitarbeiter dabei helfen können.
Klare Entscheidung im Bleibegespräch
Das Gespräch muss mit der klaren Entscheidung enden, ob der Mitarbeiter geht oder bleibt. Ein “wir überlegen gemeinsam noch ein Weilchen” ist vollkommen kontraproduktiv und bringt weder dem Mitarbeiter noch Ihnen etwas. Drängen Sie daher im Abschluss auf diese Entscheidung. Akzeptieren Sie schließlich den gefassten Entschluss des Mitarbeiters und freuen Sie sich, wenn er bleibt. Ansonsten trennen Sie sich friedlich.